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Text 14 von Svenja Gassner

Der Untertan – sinnvoll oder Zeitverschwendung?!

Svenja Gassner

Als ich den Roman Der Untertan zum ersten Mal in der Hand hielt war mein erster Gedanke: „Puh, fast 500 Seiten, muss das wirklich sein?“ Der Titel, welcher nur aus zwei Wörtern besteht, sagt ja eigentlich schon alles über den Protagonisten und die Handlung des Buches sowie deren Aktualität aus. Der Roman ist sehr komplex und ausführlich, teilweise langatmig. Er hätte meiner Meinung nach auch um einiges kürzer sein können.

Zur schnelleren Lesbarkeit habe ich mir zu Beginn eine leichtere, lesbare Sprache gewünscht; aber ich habe mir dann die Frage gestellt: „Warum soll immer alles auf die heutige Zeit angepasst werden?“ Das Buch handelt zu der Zeit des Wilhelminischen Kaiserreiches und mit der Sprache sowie den Stilmitteln wird die damalige Zeit dargestellt, bzw. wird die von Heinrich Mann gewünschte ironische und satirische Wirkung erzeugt. Wenn nun das Buch in moderner Sprache umgeschrieben werden würde, dann würden einzelne Handlungen und Geschehnisse überhaupt nicht mehr zu der gewünschten Wirkung führen. Es geht beim Lesen eines Buches ja auch darum, sich in Gedanken in diese Zeit und die Geschehnisse hineinzuversetzen, so wie zum Beispiel auch bei Harry Potter. Auch hier erzielt die Fantasiesprache die Wirkung, die zu der Handlung passt. Faktisch gehört die Sprache und deren Entwicklung zu unserer Geschichte. Das heißt, wir lesen ja nicht nur das Buch, um den Inhalt der Erzählung zu erfahren, sondern gleichzeitig auch um Wissen über die Zeit zu gewinnen, in der die Handlung spielt. Ein Beispiel für die Satire ist, dass Diederich Heßling Aussagen von dem Kaiser übernimmt: „Diejenigen, welche mir behilflich sein wollen, herzlich willkommen. Die sich mir entgegenstellen, zerschmettere ich.“ (Der Untertan) Er identifiziert sich immer mehr mit dem Kaiser. Auch für den damaligen Wortschatz sind zahlreiche Beispiele in dem Roman zu finden, wie „Büttenschöpfer“ und „Holländer“. Ob das natürlich immer alles so ausführlich notwendig sein muss, ist auf jeden Fall zu hinterfragen, aber es gehört zu der deutschen Geschichte dazu. Um diese zu verstehen, ist es auch von Vorteil, Klassiker zu lesen, sowie deren Aussage zu erfassen, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Im Geschichtsunterricht wird zum Beispiel auch nicht erst ab der Teilung Deutschlands angefangen. Um diese nachvollziehen zu können, ist es wichtig, die Entwicklung im Zweiten Weltkrieg zu verstehen, die wiederum zu der Teilung geführt hat. So baut es sich auch beim Untertan auf. Deswegen ist es gut, sich eine Kompetenz anzueignen, welche einem hilft, die Geschehnisse in der Welt nachzuvollziehen. Tilman Spreckelsen weist auch darauf hin: „Es gehe nicht mehr primär darum, Schüler:innen Wissen zu vermitteln, sondern sie in die Lage zu versetzen, sich in der Welt zurechtzufinden …“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung). Gerade in der heutigen Zeit wird es immer wichtiger, die geschichtlichen Zusammenhänge zu kennen, um die aktuellen Geschehnisse beurteilen zu können. Betrachtet man die Geschichte und ihren Verlauf, wird einem deutlich, dass es immer wieder Menschen gibt, die durch ihre eigene Schwäche und Selbstzweifel andere Menschen versuchen, zu manipulieren und über sie Macht auszuüben. Auch gibt es neue Bewegungen, welche vor ein paar Jahren noch nicht vorstellbar gewesen sind wie die Querdenker während der Corona-Pandemie. Dies betont auch die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler, indem sie darauf hinweist, dass der Querdenker der Untertan von heute sei: „Aber in dieser Weise, sich aufzuspielen und zu sagen, ich verfüge letzten Endes über das, was da zu denken ist ‒ da sind sie dem Untertan nicht so ganz unähnlich.“ (150. Geburtstag von Heinrich Mann – Der Querdenker ist der „Untertan“ von heute) Durch die Möglichkeiten der Sozialen Medien sind Veröffentlichungen von Gedanken und die Erreichbarkeit vieler Nutzer extrem gestiegen. Demzufolge ist es noch wichtiger, Kompetenzen zu entwickeln, um die Vielzahl an Informationen einordnen zu können.

Ist es jetzt sinnvoll, den Untertan zu lesen? Ja, ist es. Es können geschichtliche Parallelen gezogen werden, denn immer wieder gibt es Diktatoren, die das Volk unterdrücken und manipulieren. In dem Roman wird auch anhand des Lebens von Diederich Heßling dargestellt, wie leicht es diesem eigentlich schwachen Menschen gelingt, sein Umfeld zu beeinflussen. Dieses wird etwa bei dem Prozess deutlich, welcher an sich schon verloren war. Heßling hat die Fähigkeit, den Moment zu seinen Gunsten zu nutzen, sobald er sich seiner Sache sicher ist. Der Prozess endet nun zugunsten der Kaisertreuen. Um nicht manipuliert zu werden, ist es wichtig sensibel für Entwicklungen und Geschehnisse zu sein.

Warum gibt es immer wieder Untertanen? Warum ist bei Wahlen in verschiedenen Ländern zu sehen, dass die nationalistischen Belange wieder an Bedeutung gewinnen? Vergisst der Mensch zu schnell, oder möchte dieser sich nicht viele Gedanken machen und ist „froh“, wenn einer das Kommando übernimmt? Anscheinend lernen Menschen nicht aus der Vergangenheit, weswegen es gut ist, immer wieder an die vergangenen Ereignisse zu erinnern, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. Leider fallen Menschen immer wieder auf Gruppierungen herein und sind Mitläufer ohne nachzudenken. Das liegt wohl daran, dass der Mensch kein Einzelgänger ist. Nun kann argumentiert werden, dass die Zeit von damals und heute wegen dem Fortschritt und der Digitalisierung nicht miteinander verglichen werden kann. Das ist meines Erachtens nicht so, denn die Grundbedürfnisse des Menschen wie Anerkennung und Erfolg sind immer noch dieselben. Das wird wiederum im Roman deutlich.

Auch wenn sicher noch viele Schüler:innen stöhnen werden, wenn sie dieses Buch lesen müssen, so hat mich doch beeindruckt, dass Heinrich Mann so vorausschauend über die damalige deutsche Gesellschaft und deren gefährliche Entwicklung geschrieben hat. Demzufolge ist eine wichtige Kompetenz, die Schüler:innen durch das Lesen erlernen können, solche nach Macht strebenden Entwicklungen zu erkennen und sich nicht manipulieren zu lassen.

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