»Die sieben Türme werden wir wohl nie mehr sehen.«
So äußert sich Heinrich Mann im Herbst 1938 gegenüber dem damals 25-jährigen Lübecker und späteren Bundeskanzler Willy Brandt, als sie sich im französischen Exil bei einer Versammlung begegnen. Tatsächlich sollte er seine Heimat nicht mehr wiedersehen – in seiner Geburtsstadt Lübeck ist er 1893 das letzte Mal gewesen.
Heinrich wird am 27. März 1871 als erstes Kind des Lübecker Kaufmanns und Senators Thomas Johann Heinrich Mann und dessen brasilianisch-deutscher Frau Julia da Silva-Bruhns geboren. Ihm folgen die Geschwister Thomas, Julia, Carla und Viktor. Dem Ansinnen des Vaters, das Familienunternehmen weiterzuführen, widersetzt sich der literarisch interessierte Junge und beginnt eine Ausbildung zum Buchhändler in Dresden. Später wird er Volontär im S. Fischer Verlag in Berlin. Nach dem Tod des Senators 1891 zieht die Mutter mit ihren Kindern nach München und Heinrich entdeckt das Reisen für sich. Sein bevorzugtes Ziel wird Italien.
Die frühen Romane und Novellen wie Die Göttinnen und Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen sind sowohl von den Italien-Aufenthalten des Schriftstellers als auch von der Heimatstadt Lübeck geprägt. In Werken wie Der Untertan oder Die Armen entwickelt er sein gesellschaftskritisches Bewusstsein. Er ist außerdem ein vehementer Verteidiger der Demokratie: Mit seiner anti-wilhelminischen Haltung steht Heinrich im krassen Gegensatz zu seinem Bruder Thomas und es kommt zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den Brüdern.
Nach dem Ersten Weltkrieg erlebt er mit Der Untertan seinen literarischen Durchbruch. Spätestens mit der Verfilmung von Professor Unrat in Der blaue Engel 1930, mit Marlene Dietrich in einer der Hauptrollen, wird Heinrich Mann auch zum international gefeierten Autor.
Nach der Trennung von seiner Verlobten Inés Schmied im Jahr 1910 heiratet er 1914 die Prager Schauspielerin Maria Kanová. Zwei Jahre später kommt Tochter Leonie zur Welt. Nach 14 Jahren trennt sich das Paar jedoch und der Schriftsteller lernt seine nächste Frau, Nelly Kröger, kennen. Sie heiraten im Jahr 1939.
1931 wird Heinrich Mann Präsident der Sektion Dichtkunst an der Preußischen Akademie der Künste. Doch kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 muss er das Amt niederlegen, da er zusammen mit Käthe Kollwitz und Albert Einstein einen öffentlichen Appell unterschrieben hat, der zur Einheit zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten gegen die neuen Machthaber aufruft.
Im Februar 1933 verlässt Heinrich Mann Deutschland und begibt sich ins Exil nach Frankreich. Wenige Monate später bürgert man ihn aus und er wird Staatsangehöriger der Tschechoslowakei. Neben zahlreichen Essays entsteht während des Exils in Frankreich sein zweibändiger historischer Roman zum französischen König Henri Quatre. Auch engagiert er sich weiterhin im Kampf gegen die Nationalsozialisten.
Nach dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt wird die Situation für deutsche Emigranten in Frankreich zunehmend schwieriger. Mit seinem Neffen Golo und dem Ehepaar Alma Mahler-Werfel und Franz Werfel fliehen Heinrich und Nelly Mann 1940 auf abenteuerliche Weise über die Pyrenäen Richtung Portugal, wo sie ein Schiff nach Amerika besteigen. In den USA fühlt sich Heinrich nie heimisch und auch der Erfolg bleibt aus. Nelly, die im Exil jeglichen Halt verloren hat und mit Alkohol ihre Unsicherheiten und Selbstzweifel zu betäuben versucht, nimmt sich im Dezember 1944 mittels Schlaftabletten das Leben.
Eine späte Ehre wird ihm dennoch zuteil: Mit der Gründung der DDR 1949 wird Heinrich Mann zum Präsidenten der Deutschen Akademie der Künste in Ost-Berlin gewählt. Der damit verbundenen Einladung kann er nicht mehr folgen. Heinrich stirbt am 11. März 1950 in Kalifornien. Seine sterblichen Überreste werden 1961 in die DDR überführt und auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt.
Liebesbrief von Heinrich Mann
Externer Inhalt
Unvollendeter Dramenentwurf Wolters und Walters
»Ein Drama kann niemals nackt genug sein«: Wolters und Walters – ein unvollendetes Schauspiel von Heinrich Mann
Ein Werk, mitten in seinem Entstehungsprozess. Einen solch großartigen Fund offenbart ein Konvolut aus Briefen, Notizen, Entwürfen und zahlreichen weiteren Unterlagen von Heinrich Mann, das 2015 für die Sammlung des Buddenbrookhauses angekauft wurde. Unter den Schriftstücken des Autors befindet sich auch der Entwurf zu einem unvollendeten und bisher unbekannten Schauspiel mit dem Titel Wolters und Walters. Es ist vermutlich im Sommer 1915 entstanden. Auf zwölf Blättern, bei denen es sich teilweise um alte Briefe handelt, skizziert Heinrich Mann in drei Akten die dramatische Geschichte der beiden Kaufleute Wolter und Walter und deren Kinder: Bernhard und die Geschwister Eitel, Alice und Victoria. Aus der anfänglichen Freundschaft zwischen den beiden Familien erwachsen durch Eifersucht, Intrigen und wirtschaftliche Rivalität Hass, Missgunst und offene Feindschaft, die in einem tödlichen Finale enden.
Es kann sein, dass Heinrich Manns Erinnerungen an seinen Vater und die Kindheit in Lübeck zu dem Stück inspirierten. Zum einen gibt es mit der Erwähnung eines Hafens und der Schifffahrtsgesellschaft eindeutige lokale Bezüge zur Heimatstadt des Schriftstellers. Daneben pflegte auch dessen Vater, Senator Thomas Johann Heinrich Mann eine enge Freundschaft zum Geschäftspartner Herman Fehling, der wie der Senator Großkaufmann in Lübeck ist. Dieser wurde nach dem Tod des Senators sogar zum Vormund für die fünf noch minderjährigen Mann-Kinder berufen. In Thomas Manns Buddenbrooks (1901) hat die Forschung in der Figur des Kaufmanns Hermann Hagenström Fehling ausgemacht. Dieser tritt jedoch als erbitterter Konkurrent der Familie Buddenbrook in Erscheinung. Möglicherweise war auch die Freundschaft des Vaters zu Hermann Fehling oder das Verhältnis zu dessen beiden ältesten Söhnen nicht ganz frei von Spannungen.
In der dicht gedrängten Handlung des Dramenentwurfs, in der sich vor allem die wechselvollen Empfindungen der Figuren niederschlagen, offenbart sich die unmittelbare Leidenschaft, die für Heinrich Mann den Kern eines Schauspiels ausmacht und ihn gleichzeitig auch beim Schreiben packt. Er bekennt: »Das Theater war, um unbedenklich zu sprechen, mein lustigster Abschnitt. Die paar kräftigsten Jahre um die Mitte des Lebens genügten meinem Bedürfnis nach den dramaturgischen Strapazen. Andere, die immer Stücke schrieben, konnten nicht erraten, wie anziehend die Verschiedenheit der neuen Arbeit von meiner vorigen war. Theaterstücke werden schnell geschrieben. Verlangt wird Bewegung, die Leidenschaft soll unmittelbar handeln; sie wickelt sich nicht aus den Schleiern der Erzählung. Noch der lebendigste Roman spielt in der Vergangenheit und ist bekleidet mit Worten. Ein Drama kann niemals nackt genug sein.«